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Hausumzug aus Eigeninitiative

Vor 50 Jahren machte das Haus von Hans Hunziker der Umfahrungsstrasse Teufen Platz und wurde acht Meter angehoben und 14 Meter verschoben.

«Ich wusste, dass es möglich ist» beschreibt Hans Hunziker die Motivation, sein Haus «Im Holz» zugunsten von mehr Abstand zur Umfahrungsstrasse verschieben zu lassen. Dem Holzbaufachmann waren andere erfolgreiche Hausverschiebungen bekannt, wie beispielsweise diejenige des Restaurants Hirschen in Teufen Jahre zuvor. «Als sich zeigte, dass unser Haus am alten Standort lediglich noch einen Abstand von 2.5 Metern zur Stützmauer der Umfahrungsstrasse gehabt hätte, stand für mich fest, dass ich handeln muss», blickt der heute 90-jährige Hans Hunziker zurück. Von einem Abbruch, wie es beispielsweise im Fall der katholischen Kirche geschah, die zugunsten des Linden-Kreisels weichen musste, wollte Hunziker nichts wissen. Sein Vorschlag der Hausverschiebung kam aber beim Kanton nicht gut an und eine Kostenbeteiligung stand ausser Frage. Ein Baumeister, der den Zuschlag für einen Teilabschnitt der Umfahrungsstrasse erhielt, schlug Hunziker schliesslich vor, die Finanzierung zu übernehmen. Im Gegenzug stellte Hans Hunziker ihm sein Land als Installationsplatz zur Verfügung und willigte ein, dass 3500 Kubikmeter Aushubmaterial von der Umfahrungsstrasse «Im Holz» deponiert werden durften.

Strom und Wasser wurde gekappt
Ein halbes Jahr, nachdem dieses Abkommen besiegelt wurde, stand der Tag der grossen Hausverschiebung unmittelbar bevor. Zuvor wurde weiter oben am Hang ein neues Kellergeschoss errichtet. Für die zuständige Spezialfirma aus Tübach war dies damals die erste Hausverschiebung. Und Hans Hunziker liess es sich nicht nehmen, bei den Vorbereitungen mittels Berechnungen tatkräftig mitzutun. Seine Tochter Maria, die noch heute zusammen mit ihrem Vater im Elternhaus lebt, kann sich sehr gut an die Hausverschiebung erinnern. «Eine Woche zuvor mussten wir aus dem Haus ausziehen, weil die Wasser- und Stromleitungen gekappt wurden. Weil am 8. Juni 1970 – der Tag der Hausverschiebung – gleichzeitig die kantonale Lehrerkonferenz stattfand, hatten wir Kinder schulfrei und konnten dem Schauspiel beiwohnen», erzählt die 62-Jährige.

Brenzlige Situation
Mit Eisenträgern wurde das 60 Tonnen schwere Holzhaus unterfangen und ab 7 Uhr morgens mit hydraulischen Kräften achteinhalb Meter angehoben. Dann kam es zu einer brenzligen Situation, die Hans Hunziker auch 50 Jahre danach noch lebhaft in Erinnerung ist: «Das Haus stand 8 Meter in der Luft auf dieser Stahlkonstruktion, als heftige Föhnwinde aufkamen.» Damit das Haus auf Schienen 14 Meter Richtung Bergseite verschoben werden konnte, mussten zuvor die Eisenträger zusammengeschweisst werden. «Da hantierten also die Bauarbeiter mit ihren funkensprühenden Schweissgeräten bei Föhn an einem Holzhaus. Mir wurde angst und bang», blickt der pensionierte Holzbaufachmann zurück. Sein Puls beruhigte sich erst, als um neun Uhr abends sein Haus mit einer Kante auf dem sicheren Fundament ruhte.

Mobiliar blieb unbeschadet
Es erstaunt nicht, dass diese spezielle «Umzugsaktion» zahlreiche Schaulustige aus der Umgebung anzog. «Mit unseren Gspändli sassen wir weiter oben am Hang und genossen unsere Logenplätze», so Maria Hunziker. Ihr Vater war währenddessen positiv überrascht ob der reibungslos verlaufenden Verschiebung. «Wir konnten im Haus alles so lassen wie es war. Danach hatte weder unser Kachelofen einen Riss, noch ging irgendein Fenster zu Bruch.» Zwei Wochen nach der Verschiebung, als das Haus mit dem neuen Fundament fest verankert war, kehrte Hans Hunziker mit seiner Frau und den beiden Töchtern ins Haus am neuen Standort zurück. Zeitweise unangenehm wurde die Situation für die Familie erst danach: «Aufgrund der Bauarbeiten für die neue Umfahrungsstrasse lebten wir zwei Jahre in einer Baugrube. Meine Frau konnte jeweils nur während den Znünipausen der Arbeiter kurz im Haus lüften, bevor uns wieder eine riesige Staubwolke umhüllte», erzählt Hans Hunziker.

Mülldeponie wurde zur Traumlage
Der Aufwand der Hausverschiebung hat sich für Hunzikers aber auf jeden Fall gelohnt. Vom Wohnzimmer geniesst das Vater-Tochter-Gespann ein prächtiges, unverbaubares Alpsteinpanorama. Als Hans Hunziker 1956 die 6000 Quadratmeter grosse Parzelle für 4000 Franken kaufte, verstanden nicht alle im Dorf diesen Entscheid. «Mein Schwiegervater Anton Luzi hatte auf seinen Streifzügen den alten Sandsteinbruch entdeckt, der noch bis in die 50er-Jahre als Mülldeponie diente.» Zusammen mit seiner Frau, die 2005 verstarb, rodete Hans Hunziker in unzähligen Stunden Handarbeit den Bauplatz und räumte Schutt und Abfall weg. 1958, als Tochter Maria zur Welt kam, wurde mit dem Bau einer modernen Interpretation eines Appenzeller Hauses begonnen. Einst für ihre Wohnlage belächelt, geniessen Hunzikers heute ihr idyllisch gelegenes Eigenheim praktisch unbehelligt vom Verkehr auf der Umfahrungsstrasse.

Interview: Rosalie Manser
Fotos der Hausverschiebung: zVg von Familie Hunziker