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«Dorfplatz als Treffpunkt stärken»

Ein Interview mit Roman Häne und Silvio Spieler vom «Kollektiv Nordost» über Begegnungsort, Parkplätze und die Herausforderung, eine Dorfgestaltung für die Zukunft zu realisieren.

Das Landschaftsarchitekturbüro «Kollektiv Nordost» erhielt im Herbst 2017 von der Einwohnergemeinde Teufen den Auftrag, Überlegungen zur geplanten Ortsdurchfahrt und deren Einfluss auf das Dorfzentrum anzustellen. Der Bericht bildet die Grundlage für den Baukredit, über den die Stimmberechtigten von Teufen am 19. Mai abstimmen werden.

Der geplante Ausbau der Appenzeller Bahnen zur Strassenbahn mit Doppelspur durch das Dorfzentrum von Teufen hat grundlegende Auswirkungen auf die zukünftige Gestaltung und Funktionalität. Welche?
Roman Häne/Silvio Spieler: Verkehrsinfrastrukturprojekte werden manchmal unbemerkt zu Jahrhundertprojekten; für Teufen wird dies wahrscheinlich auch eines werden. Mit dem Ausbau der Bahn werden gewisse Ziele verfolgt, wie eine Verkürzung der Fahrzeit oder eine Erhöhung des Taktes. Dies wiederum bedingt, dass Gleisgeometrien neu gelegt werden müssen, damit beispielsweise schneller gefahren werden kann oder mehr Kreuzungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Darum wird, obwohl das Trassée der Bahn aufgehoben wird, der Querschnitt der Verkehrsfläche nicht zwingend kleiner, teilweise verbreitert er sich sogar. Dies hat kleinere bis grössere Anpassungsmassnahmen zur Folge. Das Dorfzentrum erfährt grössere Anpassungen, daher ist der Zeitpunkt ideal, um eine Veränderung des Dorfplatzes anzugehen, da ein Grossteil der Flächen so oder so baulich verändert werden müssen. Man kann daher auch von einem Glücksfall sprechen, dass dank einem Verkehrsinfrastrukturprojekt die Möglichkeit entsteht, einer zentralen, öffentlichen Fläche eine würdige Identität zurückzugeben.

Sie reden von einem Glücksfall. Beinhaltet eine würdige Identität, dass der Dorfplatz einheitlicher und homogener und dieser als öffentlicher Treffpunkt gestärkt werden soll?
Ja das ist richtig. Die Gestaltungsgrundsätze waren ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild des Dorfzentrums, sowie der respektvolle Umgang mit den historischen Gegebenheiten. Teufen hat einen starken Ausdruck, und es passiert optisch schon viel. Eine sich zurücknehmende Gestaltung verknüpft und unterstreicht diese Schönheiten. Eine auffällige und abwechselnde Gestaltung wäre nach unserer Sicht zu nervös. Aus unserer Sicht ist die Ermöglichung von verschiedenen Nutzungen zur Stärkung als öffentlicher Treffpunkt grundlegend. Nur wenn entsprechende Möglichkeiten bestehen, können Räume auch angeeignet werden. Sei dies als Treffpunkt, als Zwischenstation für ein Schwatz oder für eine festliche Aktivität oder Veranstaltung. Der Dorfplatz Teufen hat das Potenzial zu einer solchen Bühne für das öffentliche Leben.

Wo jedoch das öffentliche Leben stattfindet, braucht es auch Parkplätze. Diese waren und sind immer wieder ein grosser Diskussionspunkt. Dabei wurde von Anfang an versprochen, dass netto keine Parkplätze verloren gehen. Dies war immer wieder die Besorgnis des Gewerbes. Können Sie Entwarnung geben?
Ein funktionierendes Gewerbe ist ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität und Attraktivität für ein Dorf, die Sorgen der Parkierung sind ernst genommen worden. Die planerische Leistung unseres Teams besteht aus der optimierten Anordnung der Parkierung, welche die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer stark verbessert. In diesem Sinn können wir Entwarnung geben.

Ein Wort zur Gestaltung des Begegnungsplatzes:
Der entscheidende Hinweis kam aus dem Publikum im Workshopverfahren: Man müsse die Terrasse vor der Bibliothek, dem Schulhaus und dem Gemeindehaus so gross wie möglich hinbekommen. Diesen Hinweis haben wir aufgenommen und ich denke, dass es uns gelungen ist, dem Begehren zu entsprechen.

Sie haben kürzlich der Arbeitsgruppe «Gestaltung Dorfzentrum Teufen» Ende 2018 eine Lösung präsentiert, welche die Grundlage für die Berechnung des Baukredites darstellt. Wir haben vorhin von den Auswirkungen von verschiedenen Einflüssen auf die Dorfgestaltung gesprochen. Konnten all Ihre Ideen umgesetzt werden oder mussten Sie Abstriche machen?
Ich glaube man muss sich von dem Bild des sich selbstverwirklichenden Gestalters lösen. Über die 1980er Jahre hinaus hatte der Gestalter die Idee des Entwurfs als Gesamtwerk. Es war wirtschaftlicher Aufschwung und damit Kapital für Ideen vorhanden. Das ist, glauben wir, heute nicht mehr so. Wir vertreten eher die Haltung, was denn auch gemacht werden muss, auch gut gemacht werden soll. Die Schwierigkeit besteht darin, dass im öffentlichen Raum sehr viele Interessen zusammenkommen und auch geltend gemacht werden. Unsere Arbeit gleicht manchmal fast mehr dem eines Mediators. Es gilt die Interessen aufzunehmen, einzuordnen und dabei das grosse Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Partikularinteressen, öffentliches Interesse, politische Interessen, Gesetze, Verbände, usw. Das Ziel ist es, aus diesen vielen Bedingungen eine Lösung anbieten zu können, mit der die Mehrheit zufrieden ist und die damit zu einem Befreiungsschlag wird. Die Kunst ist es, das Ganze nebenbei noch in einer hochwertigen Gestaltung umzusetzen.

Also denken Sie, dass es Ihnen gelungen ist, all die Partikularinteressen quasi unter einen Hut zu bringen?
Wenn es Wehmutstropfen gibt, sind es die Veränderung der Dorfplatzgestaltung von 1979 des Teufener Landschaftsarchitekten Andres Sulzer (1920-2016) und der Rückbau des Brunnens von Wilhelm Meier. Die Abfolge von Spazierweg, Kanzel, Treppe und Parkierungsnische ist dem Zeitgeist der 1970er und 1980er Jahre geschuldet. Interessant an Dorfplätzen sind die Veränderungen, in der sich öffentliche Plätze immer wieder an die aktuellen Bedürfnisse anpassen, und das etwa im 50-Jahre Rhythmus. Der Brunnen von Wilhelm Meier wurde speziell für die jetzige Lage entworfen. Das Brunnenbecken orientiert sich an der jetzigen Platzform vor der Kirch. Eine Verschiebung auf die gegenüberliegende Strassenseite würde die Form unnachvollziehbar machen. Über den Brunnen selbst kann man geteilter Meinung sein, auch dieser wurde immer wieder ersetzt. Hier können wir den zeitgenössischen Kunstschaffenden eine Chance geben.

Wenn Sie nun die von Ihnen erarbeitete Lösung betrachten, worauf sind Sie besonders stolz?
Die Selbstverständlichkeit, welches das Projekt auszeichnet. Obwohl es teilweise ziemlich aufreibend war, zum Beispiel vernünftige Gefälle hinzukriegen oder die Zufahrt für die Feuerwehr zu gewährleisten usw., sieht man der Gestaltung dies nicht an. Alle Probleme sind mittlerweile so gelöst, dass alles schlüssig erscheint.

Interview: Richard Fischbacher